Der Handball-Drittligist SV Beckdorf steht kurz vor dem Abstieg in die Oberliga. Am Sonnabend um 19.30 Uhr empfängt die Mannschaft von Trainer Thorsten Detjen den Tabellenzweiten HF Springe in der Sporthalle Auf dem Delm.
Beckdorf muss punkten, parallel darf Aurich in Schwerin nicht gewinnen. Nur wenn sich der Abstand auf Aurich von drei auf zwei Zähler reduziert, haben es die Beckdorfer am letzten Spieltag in Aurich noch in der Hand. Mit einem Abstieg würde eine Ära enden. Das TAGEBLATT hat die Höhen und Tiefen der vergangenen zehn Jahre gefunden. Siege, Niederlagen, überraschende Personalien, Trainer-Rauswürfe. Dabei stellte sich heraus – Beckdorf war immer ein bisschen besonders.
2005
Juni: Der Ex-Profi Stefan Völkers kehrt nach seiner Bundesligazeit in Fredenbeck und in Schwerin in die Heimat zurück. Mit Völkers im Kader geben Verein und Management den Aufstieg in die Regionalliga als Ziel heraus.
August: Sven Jonas wird Manager beim SV Beckdorf. Der Gesamtverein bekommt einen neuen Vorstand. Chef wird Ralf Behrendt, Matthias Janitschke sein Stellvertreter.
2007
März: In der Saison 2005/2006 verpasst der SV Beckdorf den Aufstieg in die Regionalliga. Ein Jahr später ist es soweit. Trainer Jonas Kaucikas führt den Klub in die dritthöchste deutsche Spielklasse – und feiert nur kurz. Beckdorf trennt sich von Kaucikas zum Ende der Oberligasaison und erntet damit Unverständnis. Nachfolger soll ein gewisser Uwe Inderthal werden.
April: Beckdorf feiert den Regionalliga-Aufstieg. Zwei Spieltage vor Schluss steht das historische Ereignis fest. Ein Jahr zuvor wurde Beckdorf nur Meister der Herzen und verpasste den Aufstieg aufgrund des schlechteren Torverhältnisses gegenüber dem VfL Horneburg.
September: Alles ist wie immer: Auch in der Regionalliga gewinnt der SV Beckdorf die Derbys gegen den VfL Horneburg. Das erste nach dem Aufstieg geht 27:25 für Beckdorf aus.
November: Der erste heftige und öffentliche Wutausbruch des Trainers Uwe Inderthal ereignet sich im November 2007. Kein Kind von Traurigkeit hat Inderthal nach dem Spiel gegen Staßfurt die Faxen dicke und stellt sich erstmals nicht mehr schützend vor seine Spieler. Der Coach nennt die Leistungsträger beim Namen, die in seinen Augen versagt haben.
Dezember: Der SV Beckdorf baut den VfL Fredenbeck auf. Im Dezember 2007 stehen sich beide Teams das erste Mal in der Regionalliga gegenüber. Fredenbeck gewinnt 39:31 und feiert den ersten Derbysieg seit dem Bundesligaabstieg. Zuvor hatte der VfL gegen Horneburg und Bremervörde wenig zu bestellen.
2008
Mai: Das erste Regionalliga-Jahr endet für den SV Beckdorf auf Platz zwölf. Als Aufsteiger mit 9:5-Punkten gestartet, baute die Mannschaft im Laufe der Saison immer mehr ab und spielte zwischen Genie und Wahnsinn.
Oktober: Der Deutsche Handballbund (DHB) gibt bekannt, dass die Regionalliga reformiert werden soll. 2010 gehen die Teams in vier Dritten Ligen statt in fünf Regionalligen an den Start. Die Saison 2009/2010 wird eine schicksalhafte. Es gibt viel mehr Absteiger.
2009
Januar: Die Chefetage des SV Beckdorf gibt das klare Bekenntnis ab, die Qualifikation für die Dritte Liga Nord in der Saison 2009/2010 schaffen zu wollen. Dafür müssen ein einstelliger Tabellenplatz her, mehr Geld in der Vereinskasse und spielerische Verstärkungen.
April: Manager Sven Jonas greift ob der dünnen Personaldecke noch selbst ins Spielgeschehen ein. Beim 28:28-Unentschieden gegen Köthen erzielt er als Rechtsaußen drei Tore und rührt in der Abwehr Beton an.
Mai: Beckdorf wehrt den Abstieg in letzter Sekunde ab. Der 33:28-Heimsieg gegen den Vizemeister HSG Barnstorf-Diepholz verschafft den Zuschauern Gänsehaut. Die Spieler tanzen auf dem Feld. Stefan Völkers erzielt 13 Tore. Trainer Uwe Inderthal ist gerührt.
August: Der SV Beckdorf gründet den „HiB-Club“ als neue Marketingstrategie zur Finanzierung der Mannschaft. „HiB“ steht für „Handball in Beckdorf“. Für einmalig 250 Euro pro Saison bekommen Mitglieder des Clubs eine Dauerkarte für die Heimspiele und Annehmlichkeiten nach dem Spiel. Trainer Uwe Inderthal hatte die Idee.
September: Uwe Inderthal greift in die taktische Trickkiste und verhilft seiner Mannschaft zum Saisonstart zu einem 35:28-Sieg gegen Aufstiegsaspirant Springe. Fortan avanciert Springe zum Lieblingsgegner und in den Begegnungen beharken sich sogar Trainer und Vereinsbosse.
Beckdorf spielt gegen Duderstadt 29:29-Unentschieden, aber richtig zur Sache geht es erst kurz nach dem Abpfiff. Ein Fan will auf die Schiedsrichter losgehen. In den Spielbericht schreiben die Unparteiischen außerdem, dass zwei Sekunden vor Schluss ein Zuschauer unerlaubt aufs Feld lief. Das war Manager Sven Jonas, der sich über einen Siebenmeterpfiff beschwerte.
Dezember: Am Vortag des Heimspiels gegen Halle verkündet Rückraumspieler Paul Gummert, künftig nicht mehr für Beckdorf zu spielen. Inderthal und Jonas sind „menschlich enttäuscht“. Gummert begründet den Rückzug mit seinem Aufwand im Studium.
2010
Januar: Beckdorf reagiert auf die Talfahrt und Uwe Inderthal zieht einen neuen Rückraumspieler aus dem Hut. Der Klub verpflichtet Mario Allendörfer. Mit ihm dreht die Mannschaft auf und legt eine fantastische Rückrunde hin. Der SV Beckdorf qualifiziert sich für die Dritte Liga Nord.
September: Ein neues Abenteuer beginnt. Nach der Reform spielt Beckdorf Dritte Liga Nord und gehört zu den 100 besten Handballmannschaften Deutschlands.
Dezember: Das Idol schlägt elfmal zu. Publikumsliebling Hendrik Klindworth wirft elf Tore beim 41:36-Sieg gegen den HSV Hannover. Und in der Defensive nervt er die Rückraumspieler des Gegners.
2011
März: Der Neue findet Beckdorf sympathisch. Beckdorf verpflichtet Linksaußen Henning Scholz für die nächste Saison. Scholz steht fortan für spektakulären Tempohandball und Kempa-Tricks. Nicht immer, aber oft.
Beckdorf gewinnt erstmals seit der Drittligazugehörigkeit gegen den Kreisrivalen VfL Fredenbeck. Nach spannenden 60 Minuten steht es 27:26. Fredenbecks Spieler müssen am freien Sonntag danach zur Strafe im Wald laufen.
Mai: Manager Sven Jonas gibt seinen Posten ab. Und das auf dem Höhepunkt seiner Funktionärskarriere. Denn dritte Liga ist für den SV Beckdorf das höchste der Gefühle.
Beckdorf feiert am Ende der Saison 2010/2011 den größten Erfolg der Vereinsgeschichte. Rang sechs ist die beste Platzierung seit der Drittklassigkeit.
Juni: Transfer-Knaller: Der Klub verpflichtet den lettischen Nationalspieler Maris Versakovs. In den kommenden Jahren avanciert der Rückraumspieler fast ausnahmslos zum Top-Torjäger. Nur in der aktuellen Saison läuft nichts zusammen.
September: Die Mannschaft von Uwe Inderthal spielt beim SC Magdeburg II die beste erste Halbzeit seit der Drittliga-Zugehörigkeit. Nach 30 Minuten steht es 20:14, nach 60 Minuten 36:34. „Das war nahe am Optimum“, sagt der Coach.
Oktober: Beckdorf feiert einen historischen Sieg. Erstmals gelingt dem Klub ein Erfolg in der Fredenbecker Geestlandhalle. Der Ex-Fredenbecker Stefan Völkers erzielt neun Treffer.
Dezember: Der europäische Handballverband sperrt Maris Versakovs für ein halbes Jahr. Ein ewiges Hickhack entwickelt sich. Beckdorf holt sich sogar Rat bei Rechtsanwalt und Ex-Weltklasse-Torwart Andreas Thiel.
2012
Februar: Ein Großteil der Mannschaft spricht sich gegen Trainer Uwe Inderthal aus. Sein Rauswurf zum Saisonende ist beschlossene Sache.
März: Rückraumspieler Benjamin Murray spielt für die englische Nationalmannschaft und träumt von einem Einsatz bei den Olympischen Spielen in London. Er hinterlässt einen guten Eindruck, schafft es aber ganz knapp nicht in den 14-köpfigen Kader.
Mai: Lars Dammann, bislang hinter Uwe Inderthal zweiter Mann, wird die Nummer eins auf der Trainerbank. Thorsten Detjen soll Co-Trainer werden.
Oktober: Beckdorf hat endlich einen Rechtsaußen. Nicht, dass die anderen schlecht waren – aber es waren in der Regel Rechtshänder. Der Klub verpflichtet Christian Jansen.
Wieder so eine Partie, in der sich Beckdorf in einen Rausch spielt. Mit 45:35 fegt die Mannschaft den Aufstiegsaspiranten HSG Tarp-Wanderup aus der Hölle Auf dem Delm. In der ersten Halbzeit hat das Team einen 8:0-Tore-Lauf. Die Halle bebt.
Dezember: Noch eine Demontage eines Meisterschaftsanwärters. Beckdorf schlägt Springe 35:24. Platz fünf in der Hinrunde ist das beste Ergebnis der Geschichte.
2013
April: Sportlich läuft es nicht. Deshalb lässt sich Trainer Lars Dammann etwas einfallen. Er bewirbt sich beim Radiosender n-joy bei der Aktion „Wünsch Dir Deinen NDR!“ und holt die Morgenshow-Band nach Beckdorf.
Das Heimspiel gegen den Oranienburger HC wird in letzter Minute abgesagt. Der Belag in der Halle ist nicht bespielbar. Die Sportstätte wird für Wochen geschlossen und saniert.
September: Ex-Trainer Inderthal trifft als Fredenbecker auf seinen alten Kollegen Dammann. Dammann und Beckdorf haben in der Geestlandhalle in einem rassigen Derby mit 33:32 die Nase vorn.
2014
Februar: Immer zwischen Genie und Wahnsinn. Diesmal Wahnsinn. Beckdorf erlebt sein Debakel gegen den Aufstiegsaspiranten SV Henstedt-Ulzburg. Das Spiel endet 20:34. Bis zur Halbzeit gelingen Beckdorf nur fünf Tore.
September: Neue Saison – neuer Spieler. Lasse Kohnagel erzielt beim 37:33-Auftakt-Sieg gegen den Stralsunder HV neun Tore.
2015
Februar: Dammann ist nicht mehr Trainer. Wieder spricht sich ein Großteil der Spieler gegen ihren Vorgesetzten aus. Co-Trainer Detjen wird Chef auf der Bank. Der Trainerwechsel setzt keine Impulse. Das erste Spiel danach beim Tabellenletzten Achim/Baden wird ein Debakel.
März: Ein Lichtblick: Beckdorf jubelt in der Geestlandhalle und gewinnt das Derby gegen Fredenbeck 28:25.
Vereinschef Matthias Janitschke präsentiert mit Daniel Untermann einen neuen Trainer. Der 36-Jährige soll im Sommer übernehmen – in welcher Liga auch immer.
Vereinschef Matthias Janitschke tritt überraschend zurück. Einen Tag nach der Jahreshauptversammlung, bei der ihn die Mitglieder bei einigen Enthaltungen gewählt haben, schmeißt er hin.
Mai: Der Abstieg in die Oberliga ist fast besiegelt. Nur ein Wunder hilft – und Punkte gegen HF Springe und Aurich.
Quelle: Tageblatt Online
http://www.tageblatt.de/sport/handball_artikel,-Eine-verrueckte-Geschichte-kurz-vor-dem-Ende-_arid,1127497.html
Foto: Lina-Marie Friede
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