Oliver Melzer ist keine Reise zu weit. Aus dem Harzvorland reist der 37-Jährige mit Bus, Bahn und Taxi zu den Heimspielen der Beckdorfer Handballer. Im TAGEBLATT-Interview spricht der Edelfan über sein aufwendiges Hobby.
Wenn Oliver „Olli“ Melzer aus dem 700-Seelen-Dorf Winnigstedt, 40 Kilometer südöstlich von Braunschweig, ganz nah an der niedersächsischen Landesgrenze zu Sachsen-Anhalt im Harzvorland gelegen, zu seinem Lieblingsklub aufbricht, dann liegt eine 250 Kilometer weite Reise mit Bus, Bahn und Taxi vor ihm. Der 37-jährige Junggeselle, Anlagenbediener in einem Chemie-Betrieb, im Schichtdienst einschließlich Nachtschichten tätig, besucht, wann immer die Arbeit es zulässt, Heim- und Auswärtsspiele der Handballer des SV Beckdorf. TAGEBLATT-Reporter Wilhelm Thiele hat sich mit Melzer über das aufwendige Hobby unterhalten.
TAGEBLATT: Herr Melzer, wie wird man im Harzvorland Beckdorf-Fan?
Melzer: Ich bin eigentlich Fußballer. Mit meiner Mannschaft der SG Roklum/Winnigstedt waren wir im Trainingslager in Glinde in der Nähe von Magdeburg. Als uns eines abends die Decke auf den Kopf zu fallen drohte, kam die Idee, ein Handballspiel in der Regionalliga Nord zwischen dem dortigen Verein aus Glinde und Beckdorf zu besuchen. Da haben wir mit 20 Mann hoch beschlossen, die Auswärtsmannschaft, also Beckdorf, anzufeuern. Fans von Glinde waren ja genug da.
TAGEBLATT: Wann war das?
Melzer: Das muss so 2009 gewesen sein. Ja, und da war ordentlich Stimmung und ein tolles Spiel. Nach dem Spiel kamen die Beckdorfer Spieler und ihre Fans zu uns, um sich zu bedanken, und am Mannschaftsbus gab es noch ein paar Bierchen.
TAGEBLATT: Und seitdem sind sie Beckdorf-Fan?
Melzer: Ja, die Jungs, Spieler wie Fans, haben mir so gut gefallen. Das war ein so feiner Umgang miteinander. Die waren richtig nett. Da habe ich mir gedacht, die kannst du mal in Beckdorf besuchen.
TAGEBLATT: Gedacht, getan?
Melzer: Ja, wenn das mit meiner Arbeit zu koordinieren ist, dann besorge ich mir ein Bahnticket und los geht’s. Die Termine habe ich alle. Diese Saison hat es allerdings erst zweimal geklappt. Die Arbeit geht vor.
TAGEBLATT: Mit öffentlichen Verkehrsmitteln, das ist doch eine Weltreise!?
Melzer: Ja, ganz leicht ist es nicht. Erst muss ich mit dem Bus nach Wolfenbüttel, dann geht’s mit der Bahn über Hannover bis nach Buxtehude. Dann muss ich mir ein Taxi leisten, um nach Beckdorf zu kommen. So 5 Stunden und 30 Minuten brauche ich dann. Meistens schaffe ich es und bin zehn Minuten vor Spielbeginn da.
TAGEBLATT: Ja aber das ist ja nur der Hinweg? Und zurück?
Melzer: Erstmal gehe ich nach dem Spiel in Beckdorf in den VIP-Raum. Da gibt es etwas zu trinken und vor allem treffe ich dort die Fans, zum Teil noch die von 2009, und Spieler der Mannschaft. Danach ziehen wir in Beckdorf manchmal noch in eine Gaststätte weiter. Manchmal schlafe ich auch bei einem Beckdorfer Fan. Wenn nicht, sehe ich zu, dass ich bis 5 Uhr durchhalte und in Buxtehude wieder die Bahn zurück nehme.
TAGEBLATT: Was sagt denn ihre Partnerin dazu?
Melzer: (lacht) Das würde wohl nicht klappen. Dreischichtendienst und Fan des SV Beckdorf – ich bin solo und genieße noch meine Freiheit.
TAGEBLATT: Und sonst, wie halten Sie Kontakt zum SV Beckdorf? Kommen Sie an die wichtigen Infos?
Melzer: Ach, da gibt es ja die sozialen Netzwerke und verschiedene Gruppen im Internet. Das ist kein Problem. Da bleibt man leicht in Kontakt und auf dem Laufenden. Auch die Verbindung mit den älteren Beckdorf-Fans klappt so gut. Wir schreiben uns, manchmal telefonieren wir.
TAGEBLATT: Was tun Sie in der noch verbleibenden Freizeit?
Melzer: Ich bin eben sportbegeistert. Meine große Fußball-Liebe ist die Eintracht (Zweitligist Braunschweig; Anm. d. Red.). Dann bin ich noch 1. Vorsitzender eines Fanklubs. Und hier im Dorf engagiere ich mich als stellvertretender Ortsbrandmeister bei der Freiwilligen Feuerwehr. Das reicht dann.
Bericht: Tageblatt Online
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